Shopfloor Management – Einführung in die Thematik

Einleitung

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Advanced Manufacturing“ im Studiengang Master Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) bearbeiten studentische Gruppen verschiedene, als „Use Cases“ bezeichnete, Aufgabenstellungen. Use Case 3 umfasst hierbei die Erweiterung eines Manufacturing Execution System (MES) der Firma FORCAM um einen Shopfloor Management Cycle. Der vorliegende Blogartikel liefert eine Einführung in das Themengebiet Shopfloor Management (SFM), um die notwendigen Grundlagen für weiterführende Betrachtungen der Thematik zu schaffen.

Entstehung und Grundlagen von Shopfloor Management

Im Zuge des zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerbs, benötigen Unternehmen eine Strategie zur Steigerung von Effizienz und Produktivität, um langfristig am Markt bestehen zu können. Für den Erfolg von produzierenden Unternehmen ist hierbei vor allem die Betrachtung der Produktion als Ort der Wertschöpfung von entscheidender Bedeutung. Um den Unternehmenserfolg sicherstellen zu können, muss eine Verbindung des oberen Managements mit der Produktion hergestellt werden. Durch diese Verbindung können notwendige Aktivitäten im Produktionsprozess eingeleitet werden, wodurch das Thema Shopfloor Management in den Fokus produzierender Unternehmen rückt. Die englische Bezeichnung Shopfloor beschreibt hierbei direkt die Produktion bzw. die Fertigung des Unternehmens und der Begriff Management umfasst alle notwendigen Leitungstätigkeiten, welche zur Erreichung der gesetzten Ziele notwendig sind. (Leyendecker und Pötters 2018, S. 7f.)

Die Entstehung des Shopfloor Managements wird oftmals mit der japanischen Firma Toyota in Verbindung gebracht (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 84; Materna 2019, S. 179), jedoch sind weder die spezifischen Einzelziele noch der exakte Ursprung von SFM in der Fachliteratur einheitlich definiert (Hertle et al. 2015).

Das generelle Vorgehen des Shopfloor Managements kann in der Anwendung als „Führen am Ort des Geschehens“ (Leyendecker und Pötters 2018, S. 8) bzw. „Führen am Ort der Wertschöpfung“ (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 84) bezeichnet werden.

Mit dem Begriff Shopfloor Management kann im weiteren Sinne auch eine neue Denkweise des Managements beschrieben werden, welche besagt, dass ein Unternehmen nur erfolgreich arbeiten kann, wenn bereits auf der niedrigsten Hierarchie-Stufe des Unternehmens, dem Shopfloor, alle Mitarbeiter in die ständige Optimierung der Produktionsprozesse eingebunden werden (Brunner 2017, S. 99).

Inhalt, Ziele und Prinzipien

Um eine erfolgreiche Einführung und Umsetzung von Shopfloor Management in Produktionsumgebungen erreichen zu können, müssen zunächst die hierfür notwendigen grundlegenden Inhalte der Methode definiert werden. Conrad et al. (2019, S.2) definieren hierfür sieben, für den Erfolg notwendige, Bausteine von SFM. Abbildung 1 gibt einen Überblick über diese sieben Erfolgsbausteine. Es ist zu erkennen, dass die Erfolgsbausteine nochmals in zwei Gruppen unterteilt sind. Die Bausteine im Bereich Methoden, Werkzeuge und Abläufe bilden hierbei die sichtbaren Komponenten, wohingegen die Bausteine im Bereich Arbeits- und Verhaltensweise die unsichtbaren Komponenten bilden, welche als Fundament des Systems dienen.

Abbildung 1: Erfolgsbausteine des SFM (unverändert aus Conrad et al. 2019, S. 2)

Die Methode zielt grundsätzlich auf eine möglichst verschwendungsfreie und schlanke Produktion ab, in welcher der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) Anwendung findet und somit die Stabilisierung und konstante Weiterentwicklung der ablaufenden Produktionsprozesse unterstützt wird (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 84).

SFM hat außerdem den Auftrag, eine Verbindung zwischen Managementebene und dem Shopfloor herzustellen und somit die strikte Trennung von Administration und Produktion zu beseitigen. (Leyendecker und Pötters 2018, S. 15)

Laut Brenner (2019, S. 8) ist die Methode des Shopfloor Managements ein „integraler Bestandteil von Lean Management“, welche auf die Umsetzung von Ideen und Konzepte des Lean Managements ausgerichtet ist.

Das primäre Ziel von SFM ist jedoch die Vermeidung von Verschwendung und eine gesteigerte Wertschöpfung vor allem im Hinblick auf den Führungsprozess. Hierbei steht nicht die unbedingte Steigerung der Produktivität im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern eine Verbesserung von Qualität und Service. (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 89)

Aus diesem Primärziel lassen sich weitere untergeordnete Ziele ableiten, welche in Tabelle 1 aufgeführt sind.

Tabelle 1: Ziele von Shopfloor Management (eigene Darstellung nach Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 89)

Aus den dargestellten Zielen lassen sich nun wiederum allgemeine Prinzipien des SFM ableiten, welche in Abbildung 2 aufgeführt sind. Die fünf aufgeführten Arbeitsprinzipien verdeutlichen die Orientierung auf den Shopfloor, da die tatsächlichen Fertigungsprobleme oftmals nur direkt am Ort der Wertschöpfung unter Einbeziehung der jeweiligen Mitarbeiter aufgedeckt werden können (Conrad et al. 2019, S. 7).

Abbildung 2: Prinzipien des Shopfloor Managements (unverändert aus Conrad et al. 2019, S. 7)

 

Vorgehensweise

Bezüglich der Vorgehensweise gibt es in jedem Unternehmen leichte Abweichungen, jedoch kann von einer Struktur ausgegangen werden, welche grundsätzlich dem Regelkreis in Abbildung 3 entspricht. Die enthaltenen Elemente sind hierbei eine Identifikation von Top-Problemen, ein tägliches Treffen vor Ort, eine gemeinsame Problemlösung und Prozessbestätigung sowie die Visualisierung der Kennzahlen.

Abbildung 3: Regelkreis des SFM (eigene Darstellung nach Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 86)

Wie bereits dargestellt, sind regelmäßige Treffen am Ort der Wertschöpfung ein essenzieller Bestandteil des SFM-Meetings. Hierbei sollen explizit keine externen Besprechungsräume aufgesucht werden, sondern ein Kommunikationsbereich vor Ort, d.h. innerhalb der Fertigungsumgebung, geschaffen werden. (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 89)

Das Shopfloor Management Board bildet hierbei das zentrale Element dieses Kommunikationsbereichs, vor welchem die täglichen Treffen abgehalten werden. Die Dauer der regelmäßigen Treffen sollte zwischen 15 und 20 Minuten betragen und der Teilnehmerkreis sollte neben den bereichsinternen Führungskräften auch Personen aus den Bereichen Qualitätsmanagement, Produktionsplanung und -steuerung sowie Mitglieder der Produktionsabteilung enthalten. (Lendzian und Martin-Martin 2016, S. 86)

 

Shopfloor Management Board

Aufgrund der zentralen Bedeutung für die Anwendung wird das SFM-Board in diesem Abschnitt nochmals gesondert betrachtet.

Mit Hilfe des SFM-Boards werden die relevanten Kennzahlen transparent visualisiert und somit eine schnelle Übersicht über alle wichtigen Informationen geliefert. (Conrad et al. 2019, S. 17)

In Abbildung 4 sind Beispiele für Struktur und Inhalte eines SFM-Boards dargestellt. Eine mögliche Struktur umfasst beispielsweise die Bereiche Qualität, Kosten, Logistik, Sicherheit, Personal, Kapazitäts- und Auftragssituation sowie Ziele & Maßnahmen (KVP).

Abbildung 4: Struktur und Inhalte eines SFM-Boards (unverändert aus Conrad et al. 2019, S. 17)

Die finale Gestaltung und Struktur des SFM-Boards müssen jedoch immer spezifisch auf das jeweilige Unternehmen bzw. den jeweiligen Bereich angepasst und fortlaufend überprüft werden (Conrad et al. 2019, S. 17).

Abbildung 5 zeigt hierzu ein beispielhaftes SFM-Board aus einem realen Unternehmen, in welchem mit Hilfe von manueller Erfassung und Darstellung von Kennzahlen eine einfache Umsetzung von SFM erreicht wurde.

Abbildung 5: Beispiel eines SFM-Boards (unverändert aus Conrad et al. 2019, S. 18)

Herausforderungen

Eine Herausforderung im Zusammenhang mit SFM besteht in der Tatsache, dass die Fehlerursachenentstehung und die Fehlerentdeckung oftmals nicht am selben Ort stattfinden. Dieses Problem führt wiederum dazu, dass Fehler, welche im Rahmen des SFM aufgedeckt werden und in anderen Bereichen des Unternehmens entstanden sind, nicht direkt bzw. nicht ohne erheblichen Mehraufwand behoben werden können. (Rüßmann 2019, S. 269)

Weitere Herausforderungen können etwa durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeit entstehen. In diesem Zusammenhang entstehen z.B. neue Konzepte für ein digitales Shopfloor Management, welche jedoch immer den Faktor Mensch gesondert betrachten müssen (Meißner et al. 2020, S. 315).

Eine weitere Herausforderung kann z.B. durch den automatischen Abruf von Prozesskennzahlen entstehen, da zusätzliche Auswertungen dieser Daten, bei einer unzureichenden Gestaltung der Geschäftsprozesse, zu einer erheblichen zeitlichen Mehrbelastung für den Manager bzw. die Mitarbeiter führen können (Materna et al. 2019, S. 179).

Zusammenfassung/Ergebnis

Der vorliegende Blogartikel bietet eine Einführung in das Themengebiet Shopfloor Management (SFM). Zunächst wird hierbei auf Entstehungsgeschichte und Grundlagen der Methodik eingegangen sowie anschließend die Inhalte, Ziele und Prinzipien von SFM dargestellt. Nach diesen grundlegenden Informationen zum Themengebiet folgt die Darstellung der Vorgehensweise. Im Anschluss daran wird das Shopfloor Management Board als zentrales Kommunikationsinstrument des SFM vorgestellt und ein Beispiel aus der Praxis aufgeführt. Der Artikel wird mit einer Betrachtung von möglichen Herausforderungen abgeschlossen.

Literaturverzeichnis

Brenner, J. (2019), „Shopfloor Management und seine digitale Transformation – Die besten Werkzeuge in 45 Beispielen“, Carl Hanser Verlag, München.

Brunner, F. (2017), „Japanische Erfolgskonzepte – KAIZEN, KVP, Lean Production Management, Total Productive Maintenance, Shopfloor Management, Toyota Production System, GD³ – Lean Development“, Carl Hanser Verlag, München.

Conrad, R., Eisele, O. und Lennings, F. (2019), „Shopfloor-Management – Potenziale mit einfachen Mitteln erschließen. Erfolgreiche Einführung und Nutzung auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen.“, Springer Vieweg, Berlin.

Hertle, C., Siedelhofer, C., Metternich, J. und Abele, E. (2015), „The next generation shop floor management – how to continuously develop competencies in manufacturing environments“, The 23rd International Conference on Production Research, 03.08.015, Manila, Phillipinen.

Lendzian, H. und Martin-Martin, R. (2016), „Shopfloor-Management: Nachhaltige Problemlösungen schaffen“, in: Hansjörg Künzel (Hrsg.) „Erfolgsfaktor Lean Management 2.0. Wettbewerbsfähige Verschlankung auf nachhaltige und kundenorientierte Weise“, 1. Auflage,

Springer Gabler, Berlin/Heidelberg, S. 83–98.

Leyendecker, B. und Pötters, P. (2018), „Shopfloor Management – Führen am Ort des Geschehens“, Carl Hanser Verlag, München.

Materna, L., Hinrichsen, S., Adrian, B. und Schulz, A. (2019), „How to improve Shop Floor Management“, Industrial Engineering Laboratory, OWL University of Applied Sciences and Arts, Lemgo.

Meißner, A., Grunert, F. und Metternich, J. (2020), „Digital shop floor management: A target state“, Procedia CIRP, 53rd CIRP Conference on Manufacturing Systems, Volume 93, ISSN 2212-8271, S. 311-315.

Rüßmann, M., Haghi, S., Bergstein, D., Schmitt, R. (2019), „Smartes Fehlermanagement auf dem Shop Floor. Ein Lösungsansatz für KMU“, in: Bosse, C. K. (Hrsg.)  und Zink, K. J. (Hrsg.) „Arbeit 4. 0 Im Mittelstand. Chancen und Herausforderungen des Digitalen Wandels Für KMU“, Springer Gabler, Berlin/Heidelberg, S. 267–278.

Stefan Türk

Stefan Türk

Student
  • Student im Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen