Shop Floor Management – An Overview

02.12.2020

Abstract

Studentische Gruppen der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Schweinfurt (FHWS) bearbeiten im Rahmen des Studiums Wirtschaftsingenieurwesen verschiedene „Use Cases“ aus dem Themengebiet „Advanced Manufacturing“. Einer dieser Anwendungsfälle umfasst die Aufgabe ein Störungserfassungssystem einer virtuellen Produktionsumgebung (FORCAM), um ein „Shop Floor Management System (SFM)“ zu erweitern. Dieser Beitrag soll einen Überblick über das Themenfeld SFM geben. Dabei wird auf die folgenden Fragen eingegangen: Was wird unter einem SFM verstanden und wie ist es aufgebaut? Welche Herausforderungen bestehen derzeit und wohin entwickelt sich das Vorgehen?

Einleitung

Die Zukunft stellt produzierenden Unternehmen vor große Herausforderungen. Erstens, verlangen der globale Wettbewerb und die sich ändernden Kundenanforderungen, dass Unternehmen stetig Prozesse verbessern ohne dabei die laufende Produktion zu unterbrechen (Eriksson et al. 2018, S. 36). Zweitens fordern die umkämpften Märkte eine zunehmende Anzahl an kundenspezifischen Produkten (Kritzinger et al. 2018, S. 1016). Das „Shop Floor Management (SFM)“ ist eine mögliche Vorgehensweise, um dieser Problematik in der Produktion entgegenzutreten.

Shop Floor Management – Grundlagen

Das Shop Floor Management beschreibt eine Prozesssystematik, welche Abweichungen anhand von so genannten „Key Performance Indicators (KPI)“, was ins Deutsche mit Leistungskennzahlen übersetzt werden kann, identifiziert. Diese werden im Produktionsalltag analysiert, Problemlösungsprozesse einleitet und die abgeleiteten Maßnahmen verfolgt (Meißner et al. 2020, S. 312). Dabei werden unter anderem die folgenden vier Ziele verfolgt:

  1. Die Entwicklung von Führungspersonal zu methodischen Coaches.
  2. Die Nutzung des gesamten Potentials der Mitarbeiter.
  3. Die nachhaltige Unterstützung anderer Lean-Prinzipien.
  4. Die Optimierung von KPIs im Hinblick auf gesetzte Ziele (Hertle et al. 2016, S. 625–626)

In Abbildung 1 wird ein schematischer Prozessablauf der beschriebenen Systematik dargestellt. Es fällt auf, dass es sich dabei um einen Kreislauf handelt, welcher sich aus den drei folgenden Bestandteilen zusammensetzt:

  1. KPI Tracking & PDCA
  2. Continuous improvement
  3. Standardize

Die Grundlage eines SFM ist der Ist-Zustand einer entsprechenden Produktionsstätte. Im ersten Prozessschritt werden wichtige Leistungskennzahlen, wie zum Beispiel die Gesamtanlageneffektivität (GAE/OEE), beobachtet und analysiert. Dies kann mittels eines Produktionsleitsystems (Manufacturing Execution System) erfolgen (Müller 2018, S. 1). Im Anwendungsfall von den Studierenden der FHWS stellt die Simulationssoftware FORCAM ein solches MES dar. Neben der Überwachung von Kennzahlen ist der Beginn des Kreislaufes mit der Anwendung der PDCA-Systematik bedacht (Abbildung 1).

Abbildung 1: Typical shop floor managment process (Hertle et al. 2016, S. 626)

Die angesprochene PDCA-Systematik ist nicht nur eine „lean manufacturing“ Methode, die bereits 1930 entwickelt wurde, sondern stellt zusätzlich eine Philosophie der kontinuierlichen Prozessverbesserung dar, welche in die Organisationskultur von Unternehmen integriert sein sollte. Das Akronym „PDCA“ steht hierbei für „Plan“, „Do“, „Check“ und „Act“. Die Phase „Plan“ ist gekennzeichnet durch die Analyse des Ist-Standes, der Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten sowie der Vorschlag von Lösungen. Anschließend wird dieser Plan umgesetzt (Do). Beim „Check“ werden die Ergebnisse analysiert und ein „Vorher-Nachher-Vergleich“ angestellt, um die Auswirkungen der Maßnahmen festzuhalten. Im Falle der Zielerreichung werden in der letzten Phase Methoden zur Standardisierung der Verbesserungen entwickelt. (Realyvásquez-Vargas et al. 2018, S. 3)

Der zweite Abschnitt eines SFM, die kontinuierliche Verbesserung der Systematik, kann parallel zum ersten Teilprozess verlaufen. Dies ist jedoch abhängig von dem jeweiligen Einzelfall (Abbildung 1). Im letzten Teil des Zyklus wird der Ist-Zustand durch die gewonnen Erkenntnisse der vorangegangen Phasen standardisiert (Hertle et al. 2016, S. 626).

Demnach sollen Führungskräfte und Fertigungsmitarbeiter am wertschöpfenden „Shop Floor“ zusammenarbeiten. Die Herausforderung des Führungspersonals besteht darin die Mitarbeiter gezielt anzuleiten und zu führen, um die kontinuierliche Prozessverbesserung gemäß der Unternehmensziele in den Fertigungsalltag zu integrieren.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass ein erfolgreich implementiertes SFM-System die Effizienz und Qualität von industriellen Produktionsanlagen nachhaltig steigert (Materna, L., Hinrichsen, S., Adrian, B., Schulz, A. 2019, S. 179). Ein maßgeblicher Bestandteil stellen hierbei der PDCA-Zyklus und ME-Systeme dar.

Probleme und Lösungen

Die Anwendung eines klassischen SFM weist aber auch erwähnenswerte Defizite auf. Der Anteil an manuellen Tätigkeiten ist vergleichsweise hoch. Beispielsweise werden Daten zur Erstellung von KPIs händisch in Systeme eingetragen. Dies kann häufig zu Fehlern führen. (Materna, L., Hinrichsen, S., Adrian, B., Schulz, A. 2019, S. 185)Weiter nehmen die Vorbereitung und Durchführung der täglichen Shop Floor-Meetings bis zu 57 % von Mitarbeiterressourcen ein (Meißner et al. 2020, S. 311). Eine Möglichkeit zur Optimierung des Vorgehens sehen Meißner et al in der Digitalisierung des SFM, weil Unternehmen agiler sind und schneller auf Veränderungen reagieren können. Damit könnten Unternehmen den wachsenden Anforderungen in der Produktion hinsichtlich Flexibilität und Komplexität entgegenwirken. Derzeit besitzen jedoch nur 17,5 % der untersuchten Unternehmen digitale SFM. (ebenda, S. 311)

Ausblick

Zukünftig können SFM mithilfe aufstrebender Technologien, wie beispielsweise „Augmented Reality“ (AR), weiter verbessert werden. Forscher haben bereits Rahmenbedingungen definiert, welche die Integration von SFM in AR ermöglichen. Das vorgeschlagene System nutzt die gemeinsame Verwendung von Daten zwischen Werkstattressourcen und einem Sensornetzwerk, um die Produktionspläne für die Durchführung von Projekten zu optimieren. Die Optimierung erfolgt in Echtzeit und die Produktionsplanung reagiert auf neue Projekte sowie auf den sich ändernden Status von Ressourcen, wie Maschinen und Mitarbeitern. Eine AR-Schnittstelle wird für die Werkstattmitarbeiter eingesetzt, um Informationen, Anweisungen und Anleitungen von den Experten und Fertigungssystemen zu erhalten und die Systeme über Aufgabenparameter, wie Fertigstellungszeiten, Fortschritt und Maschinenstatus zu aktualisieren. (Wang et al. 2020, S. 2352) Der beschriebene Ansatz stellt eine Möglichkeit dar, den klassischen SFM-Ansatz mithilfe von neuen Technologien weiterzuentwickeln. Durch eine derartige Adaption der bereits vorhandenen Methodik könnte den anfangs beschriebenen Herausforderungen in der Produktion verbessert entgegengetreten werden.

Literaturverzeichnis

Eriksson, Alexander; Sedelius, Erik; Berglund, Jonatan; Johansson, Björn (2018): Virtual factory layouts from 3D laser scanning – A novel framework to define solid model requirements. In: Procedia CIRP 76, S. 36–41. DOI: 10.1016/j.procir.2018.01.013.

Hertle, C.; Tisch, M.; Kläs, H.; Metternich, J.; Abele, E. (2016): Recording Shop Floor Management Competencies – A Guideline for a Systematic Competency Gap Analysis. In: Procedia CIRP 57, S. 625–630. DOI: 10.1016/j.procir.2016.11.108.

Kritzinger, Werner; Karner, Matthias; Traar, Georg; Henjes, Jan; Sihn, Wilfried (2018): Digital Twin in manufacturing: A categorical literature review and classification. In: IFAC-PapersOnLine 51 (11), S. 1016–1022. DOI: 10.1016/j.ifacol.2018.08.474.

Materna, L., Hinrichsen, S., Adrian, B., Schulz, A. (2019): How To Improve Shop Floor Management. Production Engineering and Management. In: Proceedings 9th International Conference, S. 179–188.

Meißner, Alyssa; Grunert, Felix; Metternich, Joachim (2020): Digital shop floor management: A target state. In:Procedia CIRP 93, S. 311–315. DOI: 10.1016/j.procir.2020.04.083.

Müller, Christian. (2018): Produktionseffizienz auf einen Blick erkennen. OEE-Kennzahl. In: TeDo Verlag GmbH, 14.06.2018. Online verfügbar unter https://www.it-production.com/fertigungsnahe-it/oee-kennzahl/, zuletzt geprüft am 30.11.2020.

Realyvásquez-Vargas, Arturo; Arredondo-Soto, Karina; Carrillo-Gutiérrez, Teresa; Ravelo, Gustavo (2018): Applying the Plan-Do-Check-Act (PDCA) Cycle to Reduce the Defects in the Manufacturing Industry. A Case Study. In: Applied Sciences 8 (11), S. 1–17. DOI: 10.3390/app8112181.

Wang, X.; Yew, A.W.W.; Ong, S. K.; Nee, A.Y.C. (2020): Enhancing smart shop floor management with ubiquitous augmented reality. In: International Journal of Production Research 58 (8), S. 2352–2367. DOI: 10.1080/00207543.2019.1629667.

Moritz Lotzen

Moritz Lotzen

Student
  • Studentischer Mitarbeiter im Forschungsprojekt OBerA an der FHWS
  • Student im Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen